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Wer zahlt die Zeche? - Besuch Zeche Zollverein in Essen

Für Eilige: Keine Kohle mehr machen Ein Fünfziger (Alles Gute nochmals, lieber Stefan Friedl) bringt mich nach NRW, genauer gesagt nach Essen. Dort steht die Zeche Zollverein, ein altes Steinkohlebergwerk, UNESCO Weltkulturerbe, das 1986 außer Betrieb ging. Es wurde zum Museumkomplex umgebaut. Sehenswert.


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Bauhausstil im Bergbau Die Betriebsgebäude samt des Schacht XII. der Zeche Zollverein in Essen: Errichtet 1928-32 im Stil der Neuen Sachlichkeit. Erstmals wurden die Lasten nicht mehr über die Außenwände sondern Strahlträger und Säulen zu Boden abgeleitet.

Dadurch konnten breite Fensterbänder eingebaut werden, der Fassadeneindruck wurde offener, „leichter“.


Bei Nacht, wenn die Hallen innen beleuchtet waren, wirkte es fast durchsichtig. Genial.

Dadurch wurde die Zeche zum „schönsten Bergwerk der Welt“, im Zentrum der „Doppelbock“ ein 55 m hoher Förderturm mit dem Kohle aus dem Boden, Menschen und Material hinter gefördert wurden. Es war ein weitgehend automatisierter Betrieb.


Giftiges Wasser Das Grubenbauwerk (=Bergwerk unter Tage) kann heute nicht besichtigt werden, zu gefährlich.


Die „Ewigkeitsaufgabe“ Grubenwasserhaltung (Abpumpen von Grundwasser dass in die aufgegebenen Stollen dringt) wird 2023/24 optimiert, indem Teile der alten Flötze untertage mit Beton verfüllt werden.


Das „Grubenwasser“ enthält Salz und giftige Stoffe die Mensch, Natur und Tiere schädigen. Heute wird es kontrolliert in die Flüsse Emscher und Rhein eingeleitet und schädigt diese. Da das Grubengebäude riesig ist (Abbau der Steinkohle von 1847-1986), sind hier tatsächlich ewig Pumparbeiten notwendig, da sonst das Trinkwasser der Region vergiftet würde.


Denkmalschutz Die Anlage stand bereits 1986 bei Einstellung der Steinkohleförderung unter Denkmalschutz. Noch bis 1993 wurde in der Zeche Zollverein Kohle in der Kokerei zu Koks veredelt (braucht man v.a. für die Stahlerzeugung).


Weltkulturerbe Ab 2001 UNESCO Weltkulturerbe wurde es ab 2003 vom OMA - Rem Kohlhaas zum Museumsgelände umgebaut.


Design Museum Seither wurden zahlreiche weitere Kultureinrichtungen errichtet. Arch. Norman Forster plante ein Red Dot Design Museum, Heinrich Böll (gleichnamiger Neffe des Schriftstellers) entwarf mit anderen die Umgestaltung der Kohlenwäscherei zum Museum.


Kohle Ende Es wurden insgesamt 240 Millionen Tonnen Steinkohle aus der Zeche gefördert. 600.000 Menschen arbeiten insges. „auf“ Zollverein. Der Hauptschacht ist 1.000 m tief. 23.000 Tonnen Rohkohle wurden 1972 täglich gefördert.

Erdgas, Öl und der Rückgang der Stahlnachfrage brachten in den 1980 das Ende des Betriebs. 2018 schloss in Bottrop das letzte Steinkohlebergwerk im Ruhrgebiet.


Erz aus Schweden Das mit dem Koks verhüttete Eisenerz kam übrigens zumeist aus Kiruna in Schweden per Schiff, letzte Meilen über den Rhein.


Bedrückend beeindruckend Heute beeindrucken die Größe der Anlage, die sichtbare Schwere und Gefährlichkeit der Bergbauarbeit und der damalige Wille des Menschen der Natur die Kohle zu entnehmen.

Die Folgen für Natur und Klimawandel sind heute allgegenwärtig. Der soziale Abstieg der Region auch.


Architektur Die Architektur des Neubaus aus 1928-1932 von Fritz Schupp und Martin Kremmer ist in ihrer Größe, Formgebung, Struktur und Farbe beeindruckend.


Bauhausarchitektur in der Industrie Toll dass man das erhalten hat. Gerade im Vergleich zu den Bildern der Vorgängerbauten der älteren Schächte fällt das geänderte Erscheinungsbild auf.


Kritik Museumdidaktik Die rigoros zerstörerische und wenig feinfühlige Art der Umgestaltung der techn.-mechanischen Anlagen im Inneren (2003: Schau zu Kohlenwäsche, Kohlenwägen, Förder- und Fahranlage) wird zurecht denkmalpflegerisch kritisiert. Da ist kaum mehr zu erkennen und zu verstehen wir die Anlage funktionierte.


Klimakrise fehlt Die allg. Schau auf dem Areal ignoriert die Klimakrise die durch die Verbrennung der fossilen Brennstoffe wie Steinkohle entstand, ich habe gar nichts dazu gesehen. Auch wird nicht dargelegt wie viele Mio. Tonnen Kohlendioxid durch die Kohle aus Essen in die Atmosphäre gelangten.

Auch die großen Schäden an Wasser, Vegetation, Mensch und Tier werden nicht angesprochen. Auch die ewigen Probleme (Pumpen bis in alle Ewigkeit) die die stillgelegten Bergwerke für die Region mit sich bringen werden verschwiegen. Die lebendige Natur auf dem heutigen Gelände wird erklärt


Museum von gestern Das Museum Kohlenförderung, -sortierung und -wäsche besteht seit 2003. Seither fand keine sichtbare Weiterentwicklung der Schauräume und Präsentationen statt. Vieles wirkt angejahrt. Ein Phänomen das man in DE öfter findet.

Zumindest im Zollverein-Magazin ist zu geplanter PV-Anlage und Grubenwärmenutzung die Rede.


Fazit Trotzdem absolut einen ausgedehnten Besuch wert, das Ding ist riesig. Ich war weder im Red Dot Design Museum, das Arch. Norman Foster entwarf noch im Ruhr-Museum zur Geschichte des Ruhgebiets noch in vielen anderen Teilen (Kokerei).

Eine gewisse Faszination für Schwerindustrie und Bergbau schadet nicht.



































 
 
 

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